Voraus – Kurs Ost – Kurs Ostsee

Ja richtig: Wir halten Kurs auf die Ostsee. Auf Binnengewässern rudern kann ja jeder. Also ab zur „großen Badewanne“ Berlins. Am Wochenende 19.-21.Juli war es soweit. 3 Schmöckwitzer und 2 Grünauer Ruderer fuhren nach Stralsund und bezogen beim Stralsunder RC im Zelt Quartier.

Seit diesem Jahr liegt der Coastal-Vierer „Albatros“ vom DRV dort und kann kostengünstig gemietet werden.

Was ist denn „Coastal“?

Das Coastal-Rowing bezeichnet einen immer größeren Rudertrend, nämlich das (Wettkampf-)rudern auf dem „offenem Meer“ in Küstennähe. Bereits seit einigen Jahren werden von der FISA auch Weltmeisterschaften ausgetragen. Die Wettkämpfe haben Langstreckendistanz und die Mannschaft ist dem Wind, den Wellen und auch den Strömungen des Meeres ein Stück weit ausgesetzt. Der Start erfolgt meist vom Strand. Die Boote sind speziell dafür gebaut: breit, geschlossen, aus hochwertigem und leichtem Material, ohne Kielleiste aber mit Pinne, am Heck flach und offen damit aufgenommenes Wasser auslaufen kann, deutlich schwerer als vergleichbarer Boote für Binnengewässer aber fast so schnell wie ein Rennboot. In Deutschland fanden dieses Jahr bereits 2 Coastal-Ruderwettkämpfe statt (in Stralsund und auf Amrum). Der Stralsunder RC hat für dieses Jahr den Wettbewerb ausgerufen, wer es am schnellsten um die Insel Hiddensee schafft – 70 km über Boddengewässer und Ostsee. Wir wollten jedoch erstmal unsere Erfahrungen mit dem Boot und in dem neuen Ruderrevier sammeln, bevor wir uns einer solchen Herausforderung stellen.

Was ist an dem Ruderrevier so besonders?

Man mag es kaum glauben, aber vieles. Salzwasser ist noch der kleinste Unterschied.

Der wesentliche Unterschied ist die Weite! Sie verändert alles.

Das Revier ist windanfälliger. Aufgrund von Untiefen ist ein unter Land rudern selten möglich. Das Fahrtenziel ist schon etliche Kilometer am Horizont zu sehen, doch kommt es kaum näher. Das kann sich schnell auf die Motivation auswirken. Die Boddengewässer sind größtenteils flach, als Naturschutzgebiet ausgewiesen und haben in ihren Fahrrinnen ungeahnte Strömungen. Die Möglichkeiten vor einem Wetterumschwung zu fliehen sind äußert eingeschränkt. Der Steuermann ist nicht nur zum bloßen Steuern an Bord, sondern zum Navigieren in Richtung Fahrtenziel, aber auch an unter Wasser befindlichen Steinen vorbei, ggf. mit Kompass.

Wie ist es nun auf der Ostsee zu rudern?

Unser Samstag begann kurz nach 6 Uhr. Aufstehen, frühstücken und los geht´s. Zu Fahrtbeginn stand die Sonne noch tief und hatte Mühe den Morgendunst zu vertreiben. Und der Wind? Windstille! Der Strelasund und auch der Bodden zwischen Rügen und Hiddensee waren spiegelglatt. Außer ein paar Anglern waren wir die einzigen auf dem Wasser.

Unser Fahrtenziel: Die Hiddenseeumrundung,  gemütlich und nicht auf Zeit. Doch wo geht´s lang?

Diese Frage stellten wir uns nach etwa 6 km das erste Mal, als sich der Strelasund in den Bodden öffnete und wir die Fahrrinne zwischen Hiddensee und Rügen finden mussten. Orientierung? Kaum, Leuchtturm auf Hiddensee nicht zu sehen, Boote in der Fahrrinne keine. Und sonst? Dunst und ein blasser Sonnenstand. Der Kurs müsste eigentlich stimmen, doch wo sind die Bojen aus der Karte? Land und Wasseroberfläche bilden am Horizont eins – Hiddensee, Bodden, Rügen alles sieht gleich aus. Nach 10 km kommt mit dem Steuermannswechsel die erlösende Idee: der Kompass. Ja, die Richtung stimmt. Ein paar Kilometer weiter haben wir Binnenruderer wieder alles, was wir für die Orientierung brauchen: Die Sonne hat den Dunst vertrieben, der Leuchtturm am Dornbusch ist zu sehen und wir haben die Bojen erreicht. Wir fahren durch die Engstelle zwischen Ummanz und den Sandbänken an der Südspitze Hiddensees. Der Schaproder Bodden kommt einem jetzt fast schon vertraut vor. Eine betonnte Fahrrinne, beginnender Schiffsverkehr, Schaprode auf Rügen und Neuendorf auf Hiddensee sind von dem einem oder anderen Rügenurlaub bekannt. Aber weiterhin Windstille – hätten wir gar mit dem Rennboot um Hiddensee rudern können? Wir rudern weiter, das Boot fährt sich ja auch sehr flott. Eine kurze Pause zur Stärkung, Steuermannswechsel und zum Abkühlen (;-)).

Auf dem Weg zur Ostsee ist nun noch der Vitter Boden zu passieren. Die Fahrrinne muss genau eingehalten werden, damit man nicht auf einer unter Naturschutz stehenden Sandbank hängen bleibt. Erst den Abzweig Richtung Ost, dann Richtung Nord zwischen dem Bug als Ausläufer von Rügen  und dem Neubessin als Ausläufer von Hiddensee hindurch und schon  sind wir auf der … Ostsee?! Nein das kann doch nicht sein. Die Ostsee ist zu allen Seiten hin spiegelglatt. Irgendwie hatten wir uns Coastal-Rowing anders vorgestellt. Wir rudern in weitem Bogen um den Dornbusch rum, damit wir den unter Wasser befindlichen Steinen, vor denen auf der Karte gewarnt wird, ausweichen.

Auf Höhe von Vitte fahren wir zum Strand. Befestigen das Boot mit Anker zwischen den Buhnen und machen am Strand eine Pause: eine Wurst, ein Bier, ein Eis. Nach 1,5 h rudern wir weiter. Ein auffrischender Wind von Südost ist nun zu spüren. Im Windschatten von Hiddensee rudern wir gen Süden auf die schmale Fahrrinne zwischen Hiddensee und der dem Darß vorgelagerten Insel der Bock zu. Die Fahrrinne ist gefunden und der Wind nimmt immer mehr zu. Die Bootsgeschwindigkeit sinkt überdeutlich schnell, wie haben auf einmal das Gefühl kaum noch vorwärts zu kommen. Unser Ziel Stralsund ist anhand der Brücke über den Strelasund und den Kirchtürmen schon zu sehen. Doch vor uns liegen etwa 18 km weitestgehend entlang einer Fahrrinne in Richtung Südost. Jetzt kommt alles zusammen: die Ermüdung nach über 50 km rudern, Blasen an den Händen, immer kräftiger werdender Gegenwind und eine nicht vorhersehbare Gegenströmung. Das Rudern gegen den Wind gleicht einem Kampf gegen Windmühlen, doch es gibt nur diesen einen Weg. Jetzt lernen wir Coastalrudern kennen: Das Boot fräst sich durch die Wellen. Sind die Wellen zu groß, wird das Boot angehoben und fällt danach wieder ab. Das reichliche Spritzwasser fließt die Schräge im Boot hinab und am Heck einfach hinaus. Doch das Boot bleibt weiterhin stabil im und vor allem über Wasser liegen. Kein Vollschlagen. Doch jeder Durchzug schmerzt an der Hand, Blasen reißen auf, die Stimmung im Boot fängt langsam an zu kippen.

Nach fast 3 h haben wir es geschafft und kommen am Steg des Stralsunder RC an. Der Wind steht so ungünstig, dass einer ins Wasser springen muss um das Heck beim Herausholen des Bootes gerade zu halten. Beim ersten Versuch das 160 kg Boot rauszuheben wird ein Finger gequescht. Die Griffmöglichkeiten am Bug sind auch übersichtlich. Mit vereinten Kräften bekommen wir das Boot auf die Rolle und schließlich auf den Wagen. Geschafft aber auch glücklich genießen wir beim Bootputzen nun noch ein Bier und stoßen auf Neuwasser an. Für die 30 km nach der Pause haben wir länger gebraucht als für die ersten gut 40 km. Oh man. Egal. Zum Wohl!

Nach der Dusche ging es in die Stralsunder Innenstadt zum Griechen. Wir brauchten volle Teller und bekamen sie auch. Müde und K.O. fielen wir in unsere Zelte und schliefen tief und fest. Der nächste Tag war grau und mit lebhaftem Wind. Nach dem gestrigen Tag konnte uns das aber nicht stören. Wir drehten am Vormittag noch eine Runde über den Strelasund ostwärts  an der Insel Dänholm vorbei bis zur Halbinsel Devin und zurück zum Ausrudern. Anschließend ging es noch zu einem Stadtbummel mit Fischbrötchen und Eis in die Innenstadt von Stralsund. Mit einer neuen und lehrreichen Rudererfahrung im Gepäck ging es wieder heimwärts.

Aber so viel sei gesagt, wir kommen wieder! Um Rügen kann man auch rudern … wenn auch nicht an einem Tag.

Woher kam nun die Strömung?

Das ist eigentlich ganz logisch. Der Südostwind schob die Ostsee Richtung Nordwest. Wasser reguliert sich in der Höhe selbst. Das heißt in diesem Fall: Das Boddenwasser floss der Ostsee quasi hinterher und da die Boddengewässer flach sind, bildete sich in der Fahrrinne die Strömung.

Und sonst so?

Die Hansastadt ist auch so eine sehenswerte Stadt mit netten Restaurants, einer hanseatischen Altstadt und dem sehr interessanten Ozeaneum (Meeresmuseum). Die Insel Rügen mit Ostseebädern, Steilküste und Strand lädt ebenfalls ein. Wir empfehlen das Kartenmaterial „Tourenatlas Nr. 6 Mecklenburg-Vorpommern“ vom Jübermann-Kartographie Verlag (detailliert, informativ und wasserfest). Der Stralsunder RC ist hier zu finden: https://www.stralsunder-ruderclub.de/

Die DRJ veranstaltete in diesem Jahr ein Jugendcamp in Stralsund um das Coastal-Rowing der jungen Generation näher zu bringen. An diesem Camp nahmen 2 Jugendliche unseres ESV teil. 

Auf das nächste Ruderabendteuer! Riemen- und Dollenbruch!

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